Offener Brief an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten aus der Vorharz-Region zur Novelierung der Düngeverordnung

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit großer Sorge wende ich mich mit dem heutigen Schreiben an Sie und möchte Sie um Hilfe bitten.

 

Hintergrund und Anlass zur Sorge ist der aktuelle Referentenentwurf zur Änderung der am 02.06.2017 (erst) in Kraft getretenen, sogenannten „Neuen Düngeverordnung“.

 

Wie wir beide wissen, ist der Anpassung der Düngung auf landwirtschaftlichen Flächen eine erfolgreiche Klage der EU-Kommission vor dem EuGH vorausgegangen. Grundlage dieser Klage war der Nitratbericht 2012 und die damit verbundene Tatsache, dass 28 % der (650) Messstellen in Deutschland (vgl. Polen hat gerade mal 12!) einen Grenzwert von über 50 mg/l aufwiesen. So viel zum Sachstand.

 

Erschreckend ist nun aber, dass das BML bereits ein gutes Jahr nach dem Inkrafttreten der „Neuen Düngeverordnung“, ohne das Abwarten und Prüfen der durch diese evtl. schon positiv bewirkten Veränderungen und im vorrauseilenden Gehorsam eine erneute Verschärfung beschließt. Im Extremfall sind 60% der landwirtschaftlichen Fläche Niedersachsens (und viele Flächen anderer Bundesländer) betroffen. Dabei werden fachliche Aspekte völlig ignoriert. Wichtige Kriterien, die eine Eutrophierung des Grundwassers maßgeblich beeinflussen, wie z.B. die Bodenbeschaffenheit eines Standortes, Witterung oder die Frage, ob eine langjährige organische Düngung voraus geht, finden gar keine Berücksichtigung.

 

Eine Generalisierung der weiteren, z.T. harten Beschränkungen der Stickstoffdüngung gelten im schlimmsten Fall im Nord-Westen Niedersachsens, wo ein Stickstoffüberschuss von über 80.000 t pro Jahr produziert wird, genauso wie in den vieharmen Ackerbauregionen Süd- und Süd-Ost-Niedersachsens, wo es i.d.R. gar keine Nitratprobleme gibt, weil diese dort auch gar nicht verursacht werden.

 

Sollte der Bundesrat den derzeit vorliegenden Referentenentwurf im Mai 2020 unverändert beschließen, bedeutet dies einen weiteren schwerer Einschnitt für die bäuerliche Landwirtschaft in unserem Land.

 

Neben den widrigen Witterungsbedingungen der letzten Jahre und den volatilen Märkten (die natürlich zu den ganz normalen Risiken eines Unternehmers gehören) werden die von Frau Ministerin Klöckner angedachte „Ackerbaustrategie“ (deren Vorboten in der Praxis bereits ankommen; siehe das Neonicotinoidverbot u.a. Verbote) und die dann noch verschärfte Düngeverordnung 2020 die Rahmenbedingungen in so kurzer Zeit derart verändern und künstlich ein so drastischer Wettbewerbsnachteil gegenüber vielen Nachbarländern innerhalb der EU (!) erzeugen (siehe z.B. weitere Nutzung von Neonicotinoiden in Polen u.a. EU-Ländern), dass die wenigsten Betriebe überhaupt in der Lage sind, sich darauf einzustellen um diese erschwerten Bedingungen abzufangen. Der Strukturwandel wird sich dramatisch beschleunigen.

 

Diese generalisierenden Einschränkungen der Produktionsmöglichkeiten bedeuten am Ende den Verlust von Wirtschaftskraft, Wettbewerbsfähigkeit und von Einkommen und dies nicht nur in den landwirtschaftlichen Betrieben selbst sondern generell im ländlichen Raum!

 

Niedersachsen verfügt über rund 2.500.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Der Referentenentwurf sieht derzeit sogenannte „rote Gebiete“ auf 60% der landwirtschaftlichen Nutzfläche Niedersachsens vor. Das bedeutet das eine Fläche von etwa 1.540.000 ha betroffen sein könnte. Gehen wir „nur“ von einem Erlösrückgang von rund 150 €/ha in den landwirtschaftlichen Gebieten aus, resultiert daraus niedersachsenweit einen Verlust von 154 Millionen Euro für die Landwirtschaft und damit verbunden verringerte Steuereinnahmen von mindestens 75 Millionen Euro im Ländlichen Raum. Hinzu kämen die negativen Auswirkungen auf den vor- und nachgelagerten Bereich in Gewerbe und Industrie. Auch die Einnahmen von Einkommens-, Lohn- und Gewerbesteuereinnahmen im ländlichen Raum aus diesem Sektor würden zurückgehen. Ganz nebenbei stehen Familieneinkommen und Arbeitsplätze auf dem Spiel.

 

Der gesellschaftliche Anspruch an die Landwirtschaft hat sich geändert, ohne Frage. Meine Kollegen und ich sind - als Teil der Gesellschaft - natürlich bereit diese zu erfüllen! (Das es nicht unser Ansinnen war und ist der Umwelt zu schaden brauche ich dabei – so glaube ich - gar nicht betonen. Kaum ein Berufszweig lebt enger mit der Natur und ist abhängiger von einem guten Umgang mit dieser als die Landwirte.) Die uns gestellten Aufgaben müssen aber auf einer sachlich- und fachlichen Basis stehen und sollten die Möglichkeit einer Einkommensgenerierung im ländlichen Raum nicht außer Acht lassen.

 

Eine rein emotionsgeführte Diskussion mit einem selektiven Blick auf die möglichen Auswirkungen ist genauso gefährlich wie „ad hoc“- Entscheidungen.

 

Ich möchte Sie daher bitten, die landwirtschaftlichen Betriebe im Raum Süd-Ost-Niedersachsen zu unterstützen und für eine Bewertung unserer Flächen und der Grundwasserkörper in diesem Raum auf Basis sachlich und fachlich fundierter Analysen und Studien werben. Setzen Sie sich bitte für eine Regulierung mit Augenmaß ein.

 

Herzlichen Dank!

 

Ihre Agrar Vorharz GbR